Rhein-Zeitung , Koblenz, vom 21.06.2013

 

Mit Rollstuhl und Stock in Hochschule

 

Der Kreis - Club Behinderter und ihrer Freunde - und der Blindenverein ermöglichen Selbsterfahrung für angehende Architekturstudenten an der Hochschule Koblenz. Das Thema „Access for all" (Zugang für alle) soll im Rahmen der Architekturstudiengänge einen größeren Stellenwert erhalten.

 

Aus diesem Grund lud Frau Prof. von Mackensen den Kreis - Club Behinderter und ihrer Freunde -, den Blindenverein und den Behindertenbeauftragten der Stadt an die Ex-FH ein, damit die Studierenden in kleinen Gruppen mit Hilfe von Rollstühlen, Rollatoren, Simulationsbrillen und Blindenstöcken sozusagen am eigenen Leib erfahren können, welche vor allem körperlichen Einschränkungen das Alter oder eine Behinderung mit sich bringen. Das Sanitätshaus Klapperich stellte hierzu freundlicherweise die Rollstühle und Rollatoren zur Verfügung.

 

Nachdem die Studenten sich in theoretischen Einheiten mit dem Thema Zugänglichkeit im Architektur- und Städtebauentwurf beschäftigt hatten, ging es im April darum, die Hochschule und das Außengelände mit dem Rollstuhl, beziehungsweise als Blinder zu erkunden. Das war eine eindrückliche Erfahrung für die 80 Studierenden, viele Hindernisse, die sonst nicht auffallen, wurden entdeckt, das Tempo beim Durchgang durch die Hochschule war merklich langsamer. Dabei nutzten die Studenten die Gelegenheit, die zur Verfügung stehenden Menschen mit Behinderung vom Kreis und vom Blindenverein, zu ihrem Leben mit den Einschränkungen zu befragen und etwas über mögliche Erleichterungen in Gebäuden oder im öffentlichen Raum zu erfahren. Hierbei wurde deutlich, dass jede Erleichterung, die ursprünglich für die Menschen mit Behinderung gedacht war, auch den älteren Menschen sowie Familien mit Kinderwagen zugute kommt.

 

Mit freundlicher Genehmigung der Rhein-Zeitung Koblenz

www.rhein-zeitung.de

 

Rhein-Zeitung , Koblenz, vom 07.06.2013

 

Tastend und lauschend durch Koblenz – RZ-Test:

Für Menschen ohne Augenlicht ist die Stadt teils ein gefährliches Pflaster. Aber: Es gibt auch vorbildliche Ecken.

 

Von unserer Mitarbeiterin Annette Hoppen

 

Koblenz/Region: Dienstagnachmittag, 14 Uhr, am Koblenzer Löhrrondell: Ganz leger ausstaffiert mit Baseballkappe und dunkler Sonnenbrille, bewegt sich Hans-Dieter Fuchs entspannt durch die Menschenmenge. Und trabte da nicht Labradorhündin Freya in ihrem Blindenführhundegeschirr neben dem 56-Jährigen: Niemandem würde auf den ersten Blick auffallen, dass Fuchs ein ziemlich großes Problem mit seinen Augen hat. Fuchs, Vorstandsmitglied des Blinden- und Sehbehindertenvereins Koblenz, hat sein Augenlicht schon in jungen Jahren so gut wie verloren. Aber er hat gelernt, mit seiner Behinderung zu leben. Blindenführhund, Blindenstock und viel Selbstvertrauen helfen Fuchs dabei, ein relativ eigenständiges Leben zu führen. Relativ vor allem deshalb, weil es in Koblenz viele Stellen gibt, die für Blinde und Sehbehinderte unüberwindbare Barrieren darstellen.

 

Um selbst zu erleben, wo der „Blindflug" durch Koblenz gefährlich wird, aber auch, um Beispiele aufzuzeigen, wo die Orientierung auch ohne Sehkraft leicht fällt, hat sich die RZ zum „Tag der Sehbehinderten" mit Fuchs auf den Weg durch die Rhein-Mosel­Stadt gemacht. Mit von der Partie: Labradorhündin Freya, sieben Jahre alt. Auf Kommando findet Freya zum Beispiel Ampelpfosten, damit Fuchs dort den Schalter für Blinde drücken kann, der dann ein akustisches Signal aktiviert, wenn die Ampel von Rot auf Grün schaltet. Das Problem: Noch sind solche Blindenampeln in Koblenz nicht der Standard.

 

Gefahr am Friedrich-Ebert-Ring „Den Friedrich-Ebert-Ring können sehbehinderte und blinde Menschen zum Beispiel ohne fremde Hilfe in Höhe der Oberen Löhrstraße nicht überqueren", ärgert sich Fuchs. Vom Löhrrondell steuert der 56-Jährige deshalb zunächst in Richtung Bahnhof Am Fußgängerüberweg bleibt Fuchs stehen. „Hier ist Schluss. Ohne fremde Hilfe wäre es für mich lebensgefährlich, hier über die Straße zu gehen." Besser sieht es dagegen am Löhrrondell selbst aus. Hier gibt es gleich mehrere Orientierungshilfen. Zum einen ist die Ampel mit dem akustischen Signal ausgerüstet, das über den „Blindenknopf " angefordert werden kann. Zum anderen wurden bei der Neugestaltung der Gehwege am Rondell auch taktile Hilfen in den Pflasterbelag eingebaut. Das sind zum Beispiel genoppte Pflastersteine, die sich mit dem Langstock ertasten lassen und die signalisieren: „Achtung!"

 

Ähnlich vorbildlich sieht es an den Flusspromenaden von Rhein und Mosel aus, wo solche taktilen Leitsysteme auch als Wegweiser dienen. „Bei den Baumaßnahmen, die
im Zuge der Buga realisiert wurden, hat man an viele Hilfen für Blinde und Sehbehinderte gedacht", freut sich Hans-Dieter Fuchs beim Spaziergang entlang des Konrad-Adenauer-Ufers.

 

Relativ barrierefrei für Blinde und Sehbehinderte sind auch das Areal rund um das Kurfürstliche Schloss sowie die Festung Ehrenbreitstein. Anders schaut es dagegen im ÖPNV aus. „Dass bei KEVAG und RMV die Haltestellen jeweils auch im Bus durchgesagt werden, ist schon gut", lobt Fuchs. Doch dazu muss er erst einmal in den richtigen Bus finden. Dass dies gar nicht so einfach ist, wenn man zum Beispiel an der Bushaltestelle am Forum steht und die heranrollenden Busse schlichtweg nicht sehen kann, darüber machen sich Außenstehende offenbar wenig Gedanken. Deshalb muss Fuchs stets sprichwörtlich blindlings in die Runde fragen, ob ihm jemand Bescheid sagen kann, wenn sein Bus kommt. Dabei könnten die Busunternehmen hier leicht helfen, wie er meint: „Die meisten Busse verfügen über ein Mikro. Damit könnte der Busfahrer an der Haltestelle doch kurz mitteilen, welche Linie gerade angefahren ist."

 

Lage am Bahnhof ist nicht optimal! Alles andere als optimal finden sich Blinde und Sehbehinderte auch am Koblenzer Hauptbahnhof zurecht, wohin es zum Abschluss des RZ-Rundgangs geht. „Die Blindenleitlinien hier sind eigentlich gut gemacht", sagt Fuchs und demonstriert mit seinem Langstock,. wie sich über die taktilen Hilfen der richtige Weg finden lässt. Allerdings hört der vor dem Aufzug in der Bahnhofshalle auf. „Das Leitsystem gibt es nur in der Bahnhofshalle und nicht in den Tunneln, die zu den Gleisen führen", ärgert sich Fuchs immer wieder. Stattdessen werde der Blinde und Sehbehinderte automatisch zum Aufzug geführt. Er weiß: „Aber nicht jeder will Aufzug fahren, manche können es gar nicht."

 

Mit freundlicher Genehmigung der Rhein-Zeitung Koblenz

www.rhein-zeitung.de

 

 

Rhein-Zeitung , Koblenz, vom 07.06.2013

 

Blindenampeln sind Mangelware

Nachholbedarf: Nur 25 von 72 Kreuzungen haben in Koblenz einen Freigabepiepser

 

Von unserer Mitarbeiterin Annette Hoppen

 

Koblenz: Ein Leben in Dunkelheit: Mit diesem Schicksal müssen rund 600 Menschen in Koblenz und weitere 750 im Kreis Mayen-Koblenz leben, die stark sehbehindert oder blind sind. Wie findet man sich in der Rhein-Mosel-Stadt zurecht ohne Augenlicht? Fällt Menschen, die mit vier statt fünf Sinnen auskommen müssen, die Orientierung in Koblenz leicht? Ein RZ-Test zeigt: An vielen Stellen läuft es vorbildlich - an manch anderen dagegen ist es für Menschen ohne Sehkraft brandgefährlich, sich allein in die Stadt zu wagen.

 

Dass es in Koblenz noch Nachholbedarf gibt, damit sich Blinde und Sehbehinderte selbstständig im Stadtgebiet bewegen können, spiegeln auch die Zahlen der Verwaltung wider: Von 72 Kreuzungen sind bislang nur 25 mit akustischen Signalen (Freigabepiepser) für Blinde und Sehbehinderte ausgestattet. "Meist betrifft dies alle Furten der Kreuzung, teils sind Fußgängerampeln an Kreuzungen in L-Form mit Akustik ausgestattet., Taktile Übergangshilfen finden sich an mehr Kreuzungen", erklärt Heiko Breitbarth: von der Pressestelle im Koblenzer Rathaus. Breitbarth stellt allerdings klar: "Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von taktilen oder akustischen Übergangshilfen gibt es übrigens nicht." Die Stadt sei für Neubauten und Neugestaltungen per Stadtratsbeschluss aber eine Eigenverpflichtung eingegangen. Als Beispiele aus jüngster Zeit führt Breitbarth die sechs Ampelanlagen am Zentralplatz an, welche alle sowohl mit taktilen Hilfen als auch mit Freigabepiepser und Auffindungssignal (Dauersignal zum Finden der Ampel) ausgestattet wurden.

 

Eine Übergangshilfe gibt es auch am Friedrich-Ebert-Ring, wie der Pressesprecher der Stadt betont, und zwar am Übergang von der Casinostraße zur Südallee. Hier sei die Fußgängerfurt kurz und eigne sich daher für eine entsprechende Übergangshilfe. Der Blinden- und Sehbehindertenverein Koblenz moniert allerdings, dass die Überquerung des Friedrich-Ebert-Rings in Höhe der Oberen Löhr und der Hohenfelder Straße für Menschen ohne oder mit eingeschränktem Sehvermögen ohne fremde Hilfe nicht möglich ist, weil es hier bislang keine Blindenampel gibt. Das könnte sich aber vielleicht bald ändern, wie Breitbarth erklärt. Die Stadt habe beim Land einen Zuschussantrag für die Erneuerung der Lichtsignalanlagen am Friedrich-Ebert-Ring auch im Bereich der Oberen Löhr gestellt. Breitbarth kündigt an: "Sollte eine Erneuerung zum Tragen kommen, so wird im Rahmen der Eigenverpflichtung eine Prüfung erfolgen, ob und inwieweit Fußgängerampeln mit entsprechenden Übergangshilfen ausgestattet werden können."

 

Die Kosten für die Umrüstung einer bestehenden Ampel mit einem akustischen Signal ist derweil abhängig von der Größe der Lichtsignalanlage. Für eine Umrüstung können anlagenabhängig Kosten zwischen 2000 und 20 000 Euro anfallen, rechnen Experten vor.

 

Mit freundlicher Genehmigung der Rhein-Zeitung Koblenz

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